Vergeberecht für IngenieureDas Vergaberecht für Ingenieure dient der fairen und transparenten Vergabe öffentlicher Aufträge. Nationale und EU-Vorschriften regeln die Verfahren, während die HOAI eine Orientierung für die Vergütung bietet. Besondere Herausforderungen ergeben sich durch qualitative Zuschlagskriterien, Nachhaltigkeitsanforderungen und Haftungsfragen. Internationale Standards wie FIDIC-Verträge kommen bei grenzüberschreitenden Projekten zum Einsatz. Alternativen wie Wettbewerbe oder PPP-Modelle bieten flexible Vergabemöglichkeiten. Vergaberecht für Ingenieure nach deutschem RechtDas Vergaberecht für Ingenieure regelt die Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere Planungs- und Ingenieurleistungen, durch öffentliche Auftraggeber. Ziel ist es, Transparenz, Wettbewerb und Gleichbehandlung zu gewährleisten sowie Korruption zu verhindern.
1. Rechtsgrundlagena) Europäische Rechtsgrundlagen- EU-Vergaberichtlinien (2014/24/EU):
- Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe.
- Festlegung von Schwellenwerten, ab denen das Vergabeverfahren EU-weit ausgeschrieben werden muss.
- 2014/25/EU:
- Richtlinie für die Vergabe in den Sektoren Wasser, Energie, Verkehr und Postdienste.
b) Nationale Rechtsgrundlagen in Deutschland- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB):
- §§ 97–184 GWB regeln die Grundprinzipien des Vergaberechts, wie Transparenz, Nichtdiskriminierung und Wettbewerb.
- Vergabeverordnung (VgV):
- Detaillierte Regelungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte.
- Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL):
- Anwendung bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen.
- Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A):
- Relevant bei Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit Bauvorhaben.
- Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI):
- Orientierungshilfe für die Vergütung von Ingenieurleistungen (seit 2021 unverbindlich).
c) Landesvergabegesetze- Zusätzliche Regelungen auf Landesebene, die unterhalb der EU-Schwellenwerte Anwendung finden können.
2. Schwellenwerte im VergaberechtSchwellenwerte bestimmen, ob ein Auftrag nach EU-Recht oder nationalem Recht vergeben werden muss. Für Ingenieurleistungen gelten die folgenden Schwellenwerte (Stand: 2024): - EU-Schwellenwert für Dienstleistungen: 215.000 Euro netto.
- Nationale Schwellenwerte: Unterhalb der EU-Grenze gelten die Regelungen der jeweiligen Landesvergabegesetze.
3. Vergabeverfahren für Ingenieurleistungena) Grundprinzipien- Transparenz:
- Der Auftraggeber muss alle relevanten Informationen offenlegen (z. B. Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien).
- Wettbewerb:
- Sicherstellung eines fairen und diskriminierungsfreien Wettbewerbs.
- Gleichbehandlung:
- Alle Bieter müssen gleich behandelt werden.
b) VerfahrensartenOffenes Verfahren: - Jeder Interessent kann ein Angebot abgeben.
- Häufig bei standardisierten Planungsleistungen.
Nichtoffenes Verfahren: - Teilnahme nur nach vorheriger Einladung durch den Auftraggeber.
- Geeignet für komplexere Ingenieurleistungen.
Verhandlungsverfahren mit oder ohne Teilnahmewettbewerb: - Verhandlungen über die Angebote sind möglich.
- Besonders bei innovativen oder einzigartigen Ingenieurleistungen.
Wettbewerblicher Dialog: - Geeignet für komplexe Projekte, bei denen die Anforderungen vorab nicht klar definierbar sind.
Direktauftrag (Freihändige Vergabe): - Nur bei geringem Auftragswert oder besonderen Umständen zulässig.
4. LeistungsbeschreibungEine präzise Leistungsbeschreibung ist essenziell für die Vergabe von Ingenieurleistungen. Sie muss Folgendes umfassen: - Technische Anforderungen:
- Genau definierte Ingenieurleistungen, wie z. B. Statik, Tragwerksplanung oder Bauüberwachung.
- Ergebnisse:
- Gewünschte Ergebnisse, z. B. fertige Pläne oder Gutachten.
- Vergütung:
- Bezugnahme auf die HOAI oder alternative Modelle.
5. Zuschlagskriteriena) Preis- und Qualitätskriterien- Der Zuschlag erfolgt nicht ausschließlich auf Basis des niedrigsten Preises, sondern auch nach qualitativen Kriterien.
- Beispiele für Kriterien:
- Erfahrung und Qualifikation des Ingenieurbüros.
- Methodische Ansätze und technische Lösungen.
- Nachhaltigkeitskriterien.
b) Gewichtung der Kriterien- Beispiel:
- Preis: 40 %
- Qualifikation: 30 %
- Nachhaltigkeit und Innovation: 30 %
6. Besondere Anforderungen an Ingenieurleistungena) HOAI und Vergütung- Unverbindliche Anwendung:
- Die HOAI dient als Orientierung, ist jedoch nicht mehr bindend.
- Vergütung erfolgt oft als Pauschal- oder Stundenhonorar.
b) Nachhaltigkeit- Integration nachhaltiger Lösungen, z. B. energieeffiziente Gebäudeplanung oder umweltfreundliche Baumaterialien.
c) Sicherheitsanforderungen- Einhaltung technischer Normen und Vorschriften, z. B. DIN-Standards.
7. Haftung von Ingenieuren im Vergaberechta) Mängelhaftung- Ingenieure haften für Planungsfehler, die zu Schäden oder Mehrkosten führen.
- Haftungsbegrenzung durch Verträge möglich, jedoch nur in angemessenem Rahmen.
b) Schadensersatz- Anspruch auf Schadensersatz bei nachweislichem Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten.
c) Berufshaftpflichtversicherung- Pflicht zur Absicherung gegen Haftungsrisiken.
8. Internationale Regelungen im Vergaberecht für Ingenieurea) EU-Vergaberecht- Einheitliche Regelungen in allen Mitgliedsstaaten für öffentliche Aufträge oberhalb der Schwellenwerte.
b) FIDIC-Verträge- Standardverträge der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC).
- Häufig genutzt bei internationalen Projekten.
c) Common Law- In Ländern wie Großbritannien und den USA spielen Präzedenzfälle eine große Rolle.
- Verträge sind oft detaillierter und enthalten striktere Haftungsregelungen.
d) Multilaterale Projekte- Bei Projekten der Weltbank oder anderer internationaler Institutionen gelten spezifische Vergaberegelungen, die Transparenz und Korruptionsprävention gewährleisten sollen.
9. Alternative Vergabemodellea) Wettbewerbe- Architekten- und Ingenieurwettbewerbe:
- Auftraggeber erhalten innovative und kreative Lösungsvorschläge.
- Häufig bei städtebaulichen Projekten.
b) Public-Private-Partnerships (PPP)- Kooperationen zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Ingenieurbüros, z. B. für Infrastrukturprojekte.
c) Direktvergaben- Möglich für kleine Ingenieurleistungen, sofern die Schwellenwerte nicht überschritten werden.
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